Im Keller des Frankfurter Tigerpalasts singt Hannelore Elsner ein Lied über einen Birnbaum, ein Lied von der ewigen Suche nach Jugend. Wir setzen uns zu ihr an eine reich gedeckte Tafel, hören zu und sprechen über das Leben. Das klingt sehr romantisch. Ist es auch. Alles ist Romantik, Lust und Spiel bei Hannelore. Mit stilisierten Blicken, fein choreografierten Gesten, hauchenden Seufzern erklärt sie uns: „Das ist nur eine Rolle, das müssen Sie mal verstehen.“ Wir wollen die Rollen der Hannelore Elsner befragen, uns in sie hineinfühlen und Vermutungen anstellen. So finden wir etwas Größeres, das über ihre Biografie hinausgeht, wofür sie bis heute steht. Denn wenn Hannelore singt: „Drum schönes Mädchen lass dich lieben, sonst wird dich einst dein Herz betrüben, dann bist du alt und bist allein und wirst die schöne Zeit bereuen“, merken wir: Da ist was um die Hanni.
Jurybegründung
Am Beispiel von person und personae der legendären Schauspielerin Hannelore Elsner gelingt es Jette Büshels Theaterstück, in einer vertraulichen Kaffeerunden-Atmosphäre große Themen wie Biographie, Autobiographie, Zuschreibung von Identitäten und Abbild der Film- und Fernsehhistorie der Nachkriegs-BRD bis in die Nullerjahre kritisch zu verhandeln. Dabei steht immer Hannelore Elsner als Frau im patriarchal geprägten System im Mittelpunkt, die dieses nutzt und hinterfragt, wie auch versucht zu untergraben. In der Nacherzählung eines Treffens Elsners mit Michel Friedmann und Christoph Schlingensief kulminieren verschiedene Sichten auf Leben, Kunst und Kommunikation. Dabei ist der Abend stets schmerzlich komisch wie berührend. Hannelore Elsner wird zu einer Person, die an keinen Ort, nirgends, hinzupassen scheint und dennoch jeden Ort für sich zugänglich machen kann.
Mehr über Jette Büshel
Jette Büshel wurde 1996 in Hildesheim geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie ein FSJ Kultur am Schauspiel Frankfurt als Regieassistentin. 2018 erlangte sie an der Uni Hamburg den Bachelor of Arts in Geschichte und Philosophie. In Hamburg assistierte sie zudem weiter bei Theaterproduktionen sowie bei mehreren Kurzfilmen. 2018 begann sie ihr Regiestudium an der HfMDK Frankfurt, welches sie im Sommer 2024 erfolgreich abschloss. Sie war Stipendiatin des Deutschlandstipendiums sowie Stipendiatin des Main Campus Stipendiums der Polytechnischen Gesellschaft. Zudem engagierte sie sich während ihres Studiums im jungen ensemble-netzwerk und war zwei Jahre im Vorstand des ensemble-netzwerk e.V. tätig. Ihre Inszenierung »Kleiner Mann – was nun?« wurde fürs Körber Studio junge Regie 2022 ausgewählt. "Nicht mein Feuer" vom Theater Bielefeld ist für den Nachspielpreis des Heidelberger Stückemarkts 2025 nominiert. Sie inszenierte bereits am Künstler*innenhaus Mousonturm, Studio Naxos und dem LAB in Frankfurt, sowie am Hessischen Landestheater Marburg, der Staatsoper Kassel, am Theater Bielefeld, dem Thalia Theater Halle und dem DT Göttingen. "Hannelore!" entstand als Studienprojekt 4 in ihrer Zeit an der HfMDK und kam 2023 im Mousonturm zur Premiere.
In Kooperation mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt
am Main und der Hessischen Theaterakademie sowie mit Unterstützung durch das Künstler*innenhaus Mousonturm.
BESETZUNG
Regie Jette Büshel Bühne und Video Thorben Schumüller Kostüm und Maske Kati Stubbe Dramaturgie Antonia Zeich Musik Johannes Mittl Mit Lisa Heinrici, Simon David Zeller Reporterin im Video: Merle Giesel